14. März 2024
„Meine Aufgabe ist es, die Natur bestmöglich zu schützen und gleichzeitig eine stabile und rechtskonforme Planung aufzusetzen“
Mit welchen Themen beschäftigt sich eine Umweltplanerin in Infrastrukturprojekten? Was ist ihre Aufgabe und was unterscheidet sie von einer Umweltbaubegleitung? Und wie beurteilt eine Expertin die kontroversen Umweltthemen fachlich, die die Planung im Projekt „Anbindung Ludwigshöhviertel“ begleitet haben? Wir haben mit der Umweltplanerin des Projektes, Susanne Weimer gesprochen.
Können Sie sich kurz vorstellen und Ihren beruflichen Hintergrund bzw. Werdegang skizzieren?
SW: Mein Name ist Susanne Weimer. Bis 1998 habe ich in Hannover Landschaftsplanung studiert. Seit 2011 arbeite ich bei DB Engineering and Consulting, mittlerweile als Teamleiterin in der Abteilung „Umwelt“. Dieses Ingenieurbüro der Bahn bietet alle erdenklichen Planungs- und Ingenieurleistungen für den Bahnbau, aber eben auch für andere Bahn- oder Verkehrsprojekte an.
Was sind die grundsätzlichen Aufgaben einer Umweltplanerin? Wie tragen Sie zur Planung und Umsetzung von Infrastrukturprojekten bei?
SW: Nach dem Bundesnaturschutzgesetz muss bei geplanten Bauvorhaben geprüft werden, ob ein Eingriff in die Natur vorliegt und inwiefern dieser mit entsprechenden Maßnahmen vermindert oder vermieden werden kann. Ist letzteres nicht möglich, muss für einen Ausgleich gesorgt werden. Damit verbundene Fragestellungen und Prüfaufträge werden durch Umweltplaner*innen bearbeitet. Dies umfasst beispielsweise die Bereiche Artenschutz, Gebietsschutz, Wasserschutz und Emissionsschutz.
Je früher im Projekt Umweltplaner*innen eingebunden werden, desto besser für den Projektverlauf. So können sie schon frühzeitig im Dialog mit den Behörden einvernehmliche Lösungen erarbeiten.
Für das Projekt „Anbindung Ludwigshöhviertel“ soll eine umweltfachliche Baubegleitung eingesetzt werden. Wie muss man sich das vorstellen?
SW: Im Fachjargon unterteilen sich Bauprojekte in unterschiedliche sogenannte Leistungsphasen (LP). 2020 wurden wir für das Projekt „Anbindung Ludwigshöhviertel“ für die LP “Vorplanung” sowie die LP „Entwurfs- und Genehmigungsplanung“ beauftragt. Am Ende der Genehmigungsplanung müssen die Vorhabenträger bei der zuständigen Behörde eine genehmigungsfähige Planung aus verschiedenen Dokumenten einreichen. Die Behörde prüft die Unterlagen und erteilt dann den sog. Planfeststellungsbeschluss oder versagt diesen. Beides ist möglich.
Wenn diese sog. Planfeststellung vorliegt, werden die Pläne weiter ausdifferenziert und in diesem Rahmen die umweltfachliche Baubegleitung eingebunden. Sie prüft und konkretisiert die vorher festgelegten Maßnahmen sowie etwaige zusätzliche Auflagen der Behörden. Zusätzlich ist sie sowohl mit den bauausführenden Firmen draußen auf der Baustelle als auch mit den Aufsichtsbehörden im Kontakt. So ist gewährleistet, dass alle umweltfachlichen Auflagen eingehalten werden und auch auf unvorhergesehene Entwicklungen, wie z.B. die Entdeckung eines Bodendenkmals später im Bauverlauf, adäquat reagiert werden kann. Die Tätigkeit als Umweltbaubegleitung ist mit einem umfassenden Fachwissen, Kenntnis der geltenden Gesetze und sehr viel Engagement verbunden.
Gibt es im Ludwigshöhviertel zusätzliche Maßnahmen, die über die vorgeschriebenen Standards hinausgehen?
SW: In meiner 20-jährigen Berufserfahrung gab es selten Projekte, bei denen planungsbegleitend eine ähnlich intensive und kontinuierliche Abstimmung mit den Behörden erfolgt ist. Wir haben immer wieder gemeinsam geprüft, wie wir den Flächenverbrauch möglichst geringhalten und gleichzeitig alle geforderten Normen erfüllen können. Die Planung von Straßeninfrastruktur passiert nicht im luftleeren Raum, sondern unterliegt ebenfalls Mindeststandards und vielen Vorgaben. Diese vielen Auflagen kollidieren teilweise mit dem Wunsch, möglichst wenig Fläche zu verbrauchen.
Darüber hinaus haben wir im Vorfeld ein Baum-Gutachten erstellen lassen. Hierfür wurden behutsam die Wurzeln der Straßenbäume begutachtet. Das hilft, die Überlebenswahrscheinlichkeit der Bäume im Rahmen der Baumaßnahme mit höherer Sicherheit zu bewerten. Im Wald haben wir besonders dicke und hohe Bäume eingemessen, die jeweilige Art und Vitalität bestimmt und aufgenommen. Diese Ergebnisse flossen in die Ausgestaltung der Planung mit ein. Auch das ist keineswegs Standard.
Wie ist Ihre umweltfachliche Haltung zu dem Spannungsfeld zwischen Baumerhalt und dem Ausbau nachhaltiger Mobilitätsformen? Wie sehen Sie das für den Bereich an der Cooperstraße?
SW: Ich verstehe jeden, der sagt, es sollte kein Quadratmeter Wald mehr gefällt werden. Der Wegfall solcher Grünflächen ist klimatisch und kleinklimatisch immer als problematisch anzusehen, wenn dafür Fläche versiegelt wird. Deutschlandweit besteht zudem das Problem, dass unsere Wälder wegen des Klimawandels bereits stark geschädigt sind.
Das trifft auch auf den Wald entlang der Cooperstraße zu. Wir sehen unter anderem durch die Trockenheit, die auf dem sandigen Boden ganz besonders zu Buche schlägt, einen sehr schnellen Niedergang des Waldes. Dennoch ist dieser Wald – geschädigt oder nicht – auf jeden Fall als wertvoll zu betrachten. Das haben wir in der Umweltplanung auch so zum Ausdruck gebracht.
Aufgabe der Umweltplanung ist es, die Auswirkungen dieses Projektes neutral zu bewerten. Das bedeutet: Ja, der Eingriff und der resultierende Waldverlust haben sowohl klimatische Auswirkungen als auch Auswirkungen auf Fauna und Flora, den Boden und Gewässer. Auch in Bezug auf all diese Auswirkungen legen wir die Fakten in den Unterlagen transparent dar.
Auf der anderen Seite ist der Bau von Wohnraum auch ein berechtigtes Anliegen. Die Frage ist hier; wie realisiere ich diesen möglichst umweltschonend? Eine Umnutzung der vorher als Militärfläche genutzten Flächen für eine Wohnnutzung halte ich unter dem Aspekt „Flächenfraß“ für sehr sinnvoll. Zusätzlich gibt es aufgrund der autoarmen Planung weniger Notwendigkeit für Versiegelung durch Kfz-Stellflächen. Der ÖPNV wird hier gestärkt, um langfristig eine weitere Flächenversiegelung zu vermeiden.
Das heißt unterm Strich, „Bäume vs. Stärkung nachhaltiger Mobilitätsformen“ ist umweltplanerisch schwierig in „richtig“ oder „falsch“ zu unterteilen. Die Situation ist nicht schwarz oder weiß, sondern hat verschiedene Grautöne. Am Ende der Debatte steht eine politische Entscheidung. Wir als Gesellschaft müssen uns einigen, was wir wollen. Vermutlich ist mit einem Ausbau des ÖPNV, der uns möglicherweise auf lange Sicht weniger Straßen und somit auch mehr Entsiegelungsmöglichkeiten bietet, an dieser Stelle eine gute Investition getan.
Die Entscheidung, diese Planung umzusetzen, kann ich also als Umweltplanerin nicht fällen. Das ist letztlich die Entscheidung des Vorhabenträgers und damit im Prinzip der HEAG mobilo und der Stadt Darmstadt. Letztere ist demokratisch legitimiert, dies zu tun.
Wie bereits ausgeführt, haben wir im gesamten Planungsprozess wirklich lange miteinander um die beste Lösung für alle Beteiligten gerungen.
Aus der Öffentlichkeit sind zahlreiche Hinweise und Ideen in Bezug auf die Planung eingegangen. Flossen diese in die Planung ein?
SW: Ja, natürlich. Wir haben bereits früh angefangen, über sogenannte „Planungsbegleitrunden“ die betroffene Öffentlichkeit ins Projekt einzubinden. Dort waren Anwohnende, Vertreter*innen von Schulen und Kindergärten, sowie andere Interessensgruppen, wie die Bürgerinitiative für die Bessunger Kiesgrube, vertreten. In dieser Runde haben wir kontinuierlich den aktuellen Planungsstand vorgestellt, Fragen und Anregungen aufgenommen und im Anschluss geprüft, welche Anregungen umgesetzt werden können. Vieles war sehr sinnvoll. Dort, wo anfangs z.B. sogenannte „Drängelgitter“ an den Querungen der Straßenbahnschienen vorgesehen waren, wurde nun eine bauliche Lösung gefunden, die beispielsweise auch Lastenfahrrädern eine hindernisfreie Querung erlaubt.
Der Wunsch, die Wiederaufforstung direkt vor Ort zu realisieren, wurde ebenfalls genau geprüft, konnte jedoch leider nicht umgesetzt werden, weil keine geeigneten Ausgleichsflächen in direkter Nähe zur Verfügung standen. Glücklicherweise konnten wir aber in Darmstadt, Richtung Weiterstadt, eine geeignete Fläche finden.
Grundsätzlich war es uns ein Anliegen, alle Wünsche, die an uns herangetragen wurden, so weit möglich zu berücksichtigen. Dabei wollen wir die Natur bestmöglich schützen und gleichzeitig eine stabile und rechtskonforme Planung aufsetzen. Im Projekt „Anbindung Ludwigshöhviertel“ geben sich die Vorhabenträger, die Wissenschaftsstadt Darmstadt und die HEAG mobilo, jede Mühe, die verschiedenen Interessen, insbesondere die der Natur, zu berücksichtigen, denn diese sind schließlich auch im Sinne des Menschen.
Frau Weimer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!