„Das Ludwigshöhviertel als Bindeglied zwischen Bessungen und Eberstadt ist eine Bereicherung für unsere Stadt“
Interview mit Robert Karnes, Leiter des Mobilitäts- und Tiefbauamts der Wissenschaftsstadt Darmstadt
Mit dem Ludwigshöhviertel entsteht ein neues Stadtquartier – und mit ihm eine moderne, nachhaltige Verkehrsanbindung. Im Interview spricht Amtsleiter Robert Karnes über die Besonderheiten des Projekts, die Herausforderungen der Planung und seine persönliche Sicht auf das neue Viertel. Dabei wird deutlich: Die Anbindung ist mehr als Infrastruktur – sie ist ein Beitrag zu einem lebenswerten Darmstadt.
Ein neues Gesicht für ein zukunftsweisendes Projekt
Herr Karnes, Sie sind seit Februar Leiter des Mobilitäts- und Tiefbauamts. Können Sie uns kurz etwas zu Ihrer Person und Ihrer Rolle im Projekt sagen?
Gerne. Ich bin Bauingenieur und Jurist und war lange im Bundesbau tätig, zuletzt im Bereich Hochbau. Ursprünglich komme ich aus Schneppenhausen, also aus einer eher ländlich geprägten Region. Seit Februar leite ich das Mobilitäts- und Tiefbauamt der Stadt Darmstadt. Das Projekt zur Anbindung des Ludwigshöhviertels wurde bereits vor meiner Amtszeit begonnen und vom Amt kontinuierlich begleitet. Ich arbeite mich aktuell in die Thematik ein und finde es spannend, an der Entwicklung eines neuen Stadtquartiers mitzuwirken – mit moderner Infrastruktur und vielen Gestaltungsmöglichkeiten.
Neue Wege für ein neues Quartier
Wie bewerten Sie die geplante Anbindung des Ludwigshöhviertels aus fachlicher Sicht?
Das Besondere ist, dass wir hier nicht nur eine bestehende Infrastruktur erweitern, sondern eine völlig neue schaffen. Die Straßenbahnanbindung ist ein zentraler Bestandteil. Über die Cooperstraße entsteht ein zusätzlicher Verkehrsweg aus dem Süden in Richtung Innenstadt, was bestehende Strecken entlastet. Die Straßenbahn hat Vorrang im Verkehr, das sorgt für einen flüssigen Ablauf und ermöglicht eine hohe Transportkapazität. Insgesamt entsteht ein Mobilitätsmix aus Schiene, Rad- und Fußverkehr. Die Bündelung des ruhenden Verkehrs in drei zentralen Quartiersgaragen trägt dazu bei, oberirdische Stellplätze zu vermeiden und den öffentlichen Raum für Menschen nutzbar zu machen.
Welche Chancen ergeben sich durch die verkehrliche Erschließung für die Stadt und die angrenzenden Stadtteile?
Das Ludwigshöhviertel wird zukünftig zu einem verbindenden Element zwischen Bessungen und Eberstadt. Die neue Verkehrsinfrastruktur ermöglicht es, Angebote aus beiden Stadtteilen besser zu erreichen – und umgekehrt. Das betrifft Nahversorgung, medizinische Einrichtungen, Kitas und mehr. Die neue Verbindung schafft einen praktischen Nutzen über die Stadtteilgrenzen hinweg. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Eine Strecke von eineinhalb Kilometern durch die Stadt hat einen ganz anderen Charakter als über Feld oder Wald – sie wirkt näher und lebendiger.
Mobilität mit Zukunft
Das Projekt ist Teil einer nachhaltigen Mobilitätsstrategie. Wie fügt sich die Anbindung des Ludwigshöhviertels in diese Strategie ein?
Neben der Straßenbahn als äußere Erschließung wird im Ludwigshöhviertel ein breites Angebot an alternativen Mobilitätsformen geschaffen: Carsharing, Bikesharing, E-Scooter. Für Fußgänger und Radfahrer sind barrierefreie Wege vorgesehen. Die Quartiersgaragen ermöglichen eine geordnete Verkehrsstruktur, die den öffentlichen Raum entlastet. Ziel ist ein Stadtteil, der Mobilität ermöglicht, aber nicht dominiert – das ist ein zukunftsorientiertes, nachhaltiges Konzept.
Kritik ernst nehmen, Interessen abwägen
Das Projekt wurde in der Vergangenheit auch kritisch diskutiert. Wie gehen Sie mit solchen Rückmeldungen um?
In einer Stadt mit 168.000 Einwohnerinnen und Einwohnern gibt es ebenso viele Perspektiven. Viele Menschen bringen sich mit großem Engagement ein – das ist wertvoll. Natürlich gibt es unterschiedliche Interessen, und nicht alle lassen sich vollständig in Einklang bringen. Deshalb ist es wichtig, Hinweise aus der Bevölkerung sorgfältig zu prüfen und in die Planung einfließen zu lassen. Das ist geschehen. Gleichzeitig müssen wir als Stadt auch Verantwortung für das große Ganze übernehmen – für Mobilität, für Wohnraum, für Umwelt- und Klimaschutz. Das bedeutet, dass wir immer wieder abwägen müssen: zwischen individuellen Anliegen und dem Nutzen für die Allgemeinheit.
Die Planung wurde zuletzt überarbeitet und die Vorzugsvariante angepasst. War dieser Schritt aus Ihrer Sicht sinnvoll – auch wenn er zu Verzögerungen geführt hat?
Wenn eine überarbeitete Planung zu mehr Verständigung beiträgt, war sie sinnvoll. Ob sie tatsächlich zu einem breiten Konsens führt, wird sich zeigen. Wir leben in einem Land, in dem Entscheidungen rechtssicher und transparent getroffen werden. Das ist ein großer Vorteil. Dennoch müssen wir lernen, mit den Ergebnissen umzugehen – auch wenn sie nicht alle Interessen vollständig abbilden. Am Beispiel der Eingriffe in den Naturraum zeigt sich: Der Nutzen für die Allgemeinheit muss gegen individuelle Beeinträchtigungen abgewogen werden. Ich hoffe, dass diese Abwägungen zu einem Ergebnis führen, das unserem Zusammenleben dient.
Blick nach vorn
Wie geht es in der Planung weiter? Können Sie bereits etwas zu den nächsten Schritten sagen?
Aktuell befinden wir uns in einem wichtigen Abschnitt der Planung, in dem die nächsten Schritte vorbereitet und abgestimmt werden. Dabei geht es unter anderem darum, die eingearbeiteten Anpassungen fachlich zu prüfen und die Unterlagen für die weiteren Verfahrensschritte vorzubereiten. Die Stadt Darmstadt setzt dabei auf eine sorgfältige Vorgehensweise. Ziel ist es, eine tragfähige Lösung zu entwickeln, die den vielfältigen Interessen der Stadtgesellschaft gerecht wird und die den Menschen, die heute bereits im Viertel wohnen und die ja immer mehr werden, zügig ein noch besseres Mobilitätsangebot bietet.
Ein Viertel zum Leben
Was möchten Sie den Bürgerinnen und Bürgern abschließend mit auf den Weg geben?
Ich wünsche mir, dass die positiven Aspekte des neuen Quartiers wahrgenommen werden: Es entsteht ein lebendiger Stadtteil mit moderner Infrastruktur, ohne große Durchgangsstraßen – ein echter Kiez. Ein Ort, an dem man sich begegnet und ein Gefühl von „Zuhause“ entwickeln kann. Ich hoffe, dass auch diejenigen, die dem Projekt bislang kritisch gegenüberstehen, diese Qualitäten mit der Zeit erkennen.